Mit Kindern und Jugendlichen einen Film zu machen, um eine pädagogische Arbeit vorzustellen, bedeutet harte Arbeit.
Alle wollten mitmachen, bei dem Film
„Der Aufstand der Waldtiere“
für Grundschulkinder, nur Lucia nicht. „Nee, laßt man, ich will nicht!“
Wenn sich die anderen hinsetzten und ihren Text lernten, verschwand sie schnell auf ihr Zimmer.
Mir fiel das zunächst nicht auf. Kalle stupste mich eines Tages an und flüsterte mir ins Ohr: „Peter, sie haut wieder ab, ich glaube, sie heult!“
Schlagartig wurde mir klar. Ich hatte gepennt, als ich die Rollen verteilte. Nur weil sie nicht richtig lesen und demzufolge Texte nicht wiedergeben konnte, hatte ich sie übergangen. Ein unverzeihlicher Fehler. Das musste ich unverzüglich wieder in Ordnung bringen.
Beim Abendessen las ich allen Kindern einen neuen Text vor, den die Ricke zu ihrem Bock sagen sollte:
„Böckchen, die denken, wir hätten sie noch nicht bemerkt. Aber, sie irren sich. Ich lauf‘ schon mal zu den anderen und warne sie und nehme Klein-Kitzi mit.“
Dieser Satz sollte locker kommen, ein wenig verschwörerisch, mit einer fröhlichen, weiblich-weichen Stimme.
„Lucia“, fragte ich sie, „willst du mitmachen? Willst du den Satz sagen, du hast eine so weiche Stimme!“
„Nein, nein, ich bin zu doof dazu, ich will das nicht, wirklich nicht!“
Ihre Augen sagten aber etwas anderes. Sie wollte wohl, traute sich aber nicht.
Kalle stieß sie mit dem Ellenbogen aufmunternd an: „Du stellst dich doch sonst nicht so an, bist nicht auf’n Mund gefallen, los, trau‘ dich!“
„Komm, versuch es, ich lese den Text und du wiederholst ihn“, ermunterte ich sie.
Sie hörte zu, wiederholte den Text, vergaß die Hälfte, resignierte und sagte: „Siehste, ich bin doch zu blöd!“ Heulend rannte sie auf ihr Zimmer.
Kalle folgte ihr und kam nach einer Viertelstunde zurück: „Wir wollen den Satz so lange üben, bis es klappt, und sie wird das schaffen!“
Nach drei Tagen sagte sie während des Mittagessens den Satz auf, fehlerfrei, alle hörten sofort auf zu essen und sie wiederholte den Satz ein zweites Mal, mit der richtigen Betonung, der total lieben Stimme und so langsam, dass jeder den Sinn verstehen konnte.
Stille – dann begeisterter Beifall von allen. Sie drehte sich zu mir, die Tränen rollten ihr über die Wangen, sie war für einen Augenblick glücklich. Kalles Augen glänzten, meine auch.
Noch heute, 15 Jahre danach, kann sie diesen Satz fehlerfrei sprechen…
Bei dem Film
„…der gehört in’n Knast?“
hatte Torsten drei Kurze und zwei Bier getrunken, als er einen betrunkenen Jugendlichen spielen musste, natürlich textfest! Einen Betrunkenen zu spielen, ist ausgesprochen schwer, wenn die Szene echt wirken soll. Und sie wirkte echt, denn er war ja ziemlich blau…Wie schwer fiel ihm die Kuss-Szene mit dem hübschen Mädchen? Die musste mehrmals geprobt werden, ein Horror für ihn.
Und der Sozialarbeiter vor Gericht! Mindestens zehn Mal musste er seinen ziemlich langen Part vortragen, bis der letzte Versuch mit wütender und teils frus-trierter Tonlage schließlich überzeugte.
Bei den Dreharbeiten mit den Rockern brannte in der Kneipe ein Fenstervorhang, weil eine Kerze umge-kippt war; mit ihren Lederjacken löschten sie es; ein anderes Mal füllten sie Pariser mit Bier, um ein auf das Lagerfeuer geworfene Motorrad zu löschen…
180 Stunden brauchten wir, um den Film mit dem Leiter der Kreisbildstelle Warendorf zu schneiden und teilweise lippensynchron neu zu vertonen. Zwei gleiche Automodelle waren erforderlich, um die Un-fallszene drehen zu können, ein Auto heil, das andere mit dem Unfall-Schaden vorn.
Und dann die schriftliche Erlaubnis vom Produzenten des Films „Der Supertyp“ mit Andriano Celentano, um 38 Sekunden aus seinem Film in meinen über-nehmen zu dürfen!
Das Tollste aber war, als die Darsteller und ich erlebten, welchen Anklang dieser Film bei Jugend-lichen fand und welche Preise er verliehen bekam!