Horn mit Seele

 

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Peter Weidlich und sein neues Buch

„Horn mit Seele“,

eine Hommage an eine ganze Instrumentengattung und hochbegabte Interpretinnen und Interpreten.

Rainer Nix, freier Journalist

Rezension zum Buch „Horn mit Seele“

 

„Ein herzerfrischendes Leseerlebnis mit dem Fehlen jeglichen pseudointellektuellen Gehabes.

Der Autor nimmt den Leser – umarmt von ursprünglicher Musik zweier Inventionshörner der Protagonistinnen - mit auf eine Reise in die feinen Verästelungen des menschlichen Seins, dem Träumen, Streben und Kämpfen um Erfüllung…

Kurzweilig, zart und lustvoll geschrieben.“

 

F. Hespeling



WN 12.8.2023

Artikel von Rainer Nix, freier Journalist

Horn mit Seele

"Autor Peter Weidlich setzt Instrument ein ganz besonderes Denkmal

 

BORGHORST: Der Klang von Inventionshörnern, den bekannteren Jagdhörnern ähnlich, kann Menschen verzaubern. Davon ist der in Steinfurt mit seiner Frau lebende Peter Weidlich überzeugt. Der Diplom-Sozialpädagoge im Ruhestand brachte Geschichten über die Auftritte eines Hornspielerinnen-Duos zu Papier und nannte sein Buch „Horn mit Seele“. Es erschien vor wenigen Tagen im Engelsdorfer Verlag, Leipzig und ist im Buchhandel erhältlich.

„Mit Inbrunst gespielt kann Hornmusik wirklich beseelen und unserer Innerstes berühren“, sagt der Autor, „das hat nichts mit der Technik des Instruments zu tun.“ Die beiden Protagonistinnen Anna und Freya begleitete er ein Jahr lang bei ihren Auftritten. Inventionshörner waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem in Frankreich populär. Mit Ihnen lässt sich ein großer, warmer und facettenreicher, klassisch-romantischer Hornklang umsetzen.

„Diese Musik gibt mir unheimlich viel“, betont Weidlich.  Doch nicht nur ihm, sondern unzähligen anderen Menschen auch. „Wenn man entsprechende Stücke bei Hochzeiten oder anderen festlichen Events hört, gehen sie durch und durch.“ Als er das Duo „HornZauber“ erlebte, dachte Weidlich sofort: Darüber schreibst du ein Buch. Zahlreiche Begebenheiten erzählt er in dichterischer Freiheit, der Leser hat Teil an Selbstzweifeln,  Anfeindungen und Hoffnungen, die durchlebt werden. Der Autor sagt: „Wenn diese Hornklänge Menschen begeistern und wegführen können von Aggressionen, Neid und Hass, wenn sie wirklich zu innerer Zufriedenheit führen, dann hat diese Musik einen Sinn.“

Der Leser findet in diesem Buch auch QR-Codes, mit denen er entsprechende Musikstücke abrufen und direkt mit dem Smartphone hören kann. Das Erleben der Klänge intensiviert das Erlebnis des Buches und hilft zu erkennen, was der Autor meint. Zahlreiche Stücke sind darunter mit Titeln wie  „Kleine Serenade“, „Reigen“ oder „Kein schöner Land“. Zwischendurch spielt der Autor auch mal Lieder auf seiner Mundharmonika.

„Das Thema „Hornmusik“ hat für Weidlich auch einen ganz speziellen Hintergrund. Der Sozialpädagoge leitete 30 Jahre lang Kinderheime. „Ich habe mit den Kindern, die ich aufnahm, ein Orchester gebildet“, beschreibt er. Instrumente waren unterschiedliche Hörner und Kesselpauken, „Wir sind in ganz Europa  herumgetourt und haben musiziert“. Das sei ein großer Erfolg gewesen, habe das Image der Heimkinder aufgewertet und Ihnen Selbstvertrauen gegeben. Mit der Musik spielten sie sich in die Herzen des Publikums.

„Seit ich in Rente gegangen bin schreibe ich kontinuierlich über verschiedene Themen“, sagt Peter Weidlich. Titel wie „Getrieben – Adoptiv-Knilch packt aus“ oder „Das Schnoodle-Rudel“ gehören dazu. Mal gibt er sich ernst-analytisch, mal humorvoll, aber immer wirft der Autor tiefe Blicke in die Seele der Menschen."

 

Cover (vorn, hinten):

Leseprobe:

 

Begegnungen

 

Anna, aufgewachsen auf einem westfälischen Bauernhof mit Hühnern, Kühen, Schweinen und einigen Pferden; behütete Kindheit.

Der Geruch frischgemähter Wiesen und gehäckseltem Mais weckte ihre Begeisterung für alles, was die Natur zu bieten hat.

Annas Mutter, Vorbild ihrer Kinder, kümmerte sich um Haushalt, Garten und liebte ihren Beruf als Grund-schullehrerin. Ihr Vater, Tischler, Landwirt und Jäger,  führte sie in die Welt der Jäger ein.

Sie liebte es, gemeinsam mit ihrem Vater oder mit einem der Jagdpächter das Rehwild in den vier Jahreszeiten zu beobachten, ihr Verhalten zu studieren und jagdliche Schlüsse daraus zu ziehen.

Der Fallenjagd widmete sie viel Zeit, weil das Fangen zum Beispiel der niedlichen Mauswiesel in verblendeten Kastenfallen spannend war. Es tat ihr zwar sehr leid und Tränen kullerten, wenn Papa es mit einem Kleinkaliber tötete, aber, wenn man kleine Hasen aufwachsen sehen möchte oder die Fasanen- und Rebhühner-Küken, so hatte ihr Papa das erklärt, dann hätte die Fallenjagd einen Sinn. Quasi als Wiedergutmachung  und als stillen Protest bestand Anna darauf, dass Mauswiesel und Hermeline als ausgestopfte Präparate die Wand in ihrem Kinderzimmer schmückten.

Schnell lernte sie, leichtfüßig leise durch den Wald zu schleichen, um äsenden Ricken mit ihren um sie he-rumtollenden Kitzen möglichst nahe kommen zu können.

Bis heute liebt sie das Pirschen, weniger den stundenlangen Ansitz auf einem Hochstand. Mit dem Verständnis für Natur und Jagd wuchs ihr Interesse am Jagdhorn-Blasen, weil die Naturtöne ihre menschlich unbekümmerte Natur unter-strichen.

Irgendwie wurde versäumt, Anna das Notenlesen bei-zubringen, da es leicht sei, so glaubte man, fünf bis acht Töne auf dem Fürst-Pless-Horn ohne großen Aufwand schnell „drauf“ zu haben.

Anspruchsvoller wurde es, als Anna das Parforcehorn in ES-Dur mit seinen Möglichkeiten entdeckte. Ihr Instinkt entfachte eine tiefe Leidenschaft zu dieser Hornmusik und riet ihr, intensiv zu üben, weil nur Qualität überzeugen würde, genau wie ihr Engagement in beruflicher Hinsicht:

Nach dem Fachabitur studierte sie Architektur, zwi-schendurch absolvierte sie die Jägerprüfung und bestand zusätzlich die anspruchsvolle Ausbildung zum „Bestätigten Jagdaufseher“.

 

Freya lebte quasi in einer Bäckerei, eingelullt in duftendes Brot, leckeren Kuchen und knusprige Brötchen. Natürlich wurde erwartet, dass Freya von klein auf im Geschäft zur Hand gehen würde, was sie auch verantwortlich tat. Einen großen Teil ihrer Jugendzeit verbrachte sie allerdings im familieneigenen Pferdestall, um ihrem Vater, einem leiden-schaftlichen Pferde-Versteher, beim Ställe reinigen und der Pferdepflege zu helfen.

Höhepunkte waren, wenn jedes neugeborene Fohlen zum ersten Mal auf den eigenen Beinen stehen konnte und sich zutraulich dem Menschenkind näherte. Liebevoll strich sie über die Nüstern der kleinen Pferdegeschöpfe und fühlte sich dem Himmel nahe.

Das war für sie erlebte Natur, etwas Großes, ein kaum zu begreifendes Wunder.

Aus diesem Geist heraus widmete sie sich dem Orgel-Spielen, da die Königin der Instrumente ihre Liebe zur Natur verstärkte. Daher lernte Freya die Bedeutung der Noten und konnte bald direkt vom Blatt spielen.

Ihr Vater, ebenfalls Jäger, schlug ihr vor, das Jagdhorn zu erlernen, wegen der Jagdkultur, und die Jägerprüfung zu machen, zusätzlich zu ihrem trockenen Jura-Studium, einem Studiengang, der sie von ihrer verklärten Natur auf den Boden der Tatsachen zurückführen sollte. 

Nach bestandener Jägerprüfung entschied sie sich für das Parforcehorn in ES-Dur und trat einer Bläsergruppe bei.

Und in dieser Bläsergruppe lernten sich Anna und Freya kennen.

Die geduldige, zugleich fordernde Anleitung des Korpsleiters Walter förderte ihre Technik des Hornblasens. Die ersten Erfolge trieben sie an, täglich zu üben. Die Horn-Töne wurden immer weicher, einfühlsamer, ihr Lippenansatz kräftiger, die Kiekser wesentlich weniger.

Walter lächelte während der Proben oft still in sich hinein, weil er ihren Ehrgeiz schätzte und weil er wahrnahm, wie sich das Talent dieser jungen Frauen zum Horn-Spielen immer mehr entfaltete.

Niemand allerdings sah seine gerunzelte Stirn, wenn er daran dachte, dass Talent nicht nur Anerkennung sondern auch Neid provozieren würde…

Jahre später erlebte Paul anlässlich seiner Geburtstagsfeier, wie diese beiden jungen Damen ihn mit ihrer Hornmusik verzauberten.

Das ist es, dachte er. Wenn diese Töne mich so ergreifen, dann geschieht es anderen ähnlich: Diese Musik kommt bei Jägern an, und nicht nur bei ihnen! Wenn meine Heimkinder dazu befähigt werden, mit dieser Musik ihren Seelenfrieden zu finden und andere zu beglücken, hat meine Heim-erziehung einen tieferen Sinn!

Mit dem Korpsleiter Walter hatte Paul als Kinderheim-Leiter einen begnadeten, kompetenten und pädagogisch brillanten Musiker für den Aufbau seines Jugend-Orchesters begeistern können.

Anna entschied sich noch während ihres Architektur-studiums dazu, ihr Leben mit Paul zu gestalten. Als Jagdfreunde hatten sie sich kennen und lieben gelernt.

Sie zog zu ihm in das Kinderheim. Die Kinder und Jugendlichen akzeptierten sie wegen ihrer Natürlichkeit und ihrem Einsatz für das Orchester, besonders aber wurde ihr Talent im Umgang mit dem Horn bewundert.

Freya war bei den Musikern ebenfalls beliebt, weil sie sich bereit erklärt hatte, den Anfängern die Technik des Horn-blasens zunächst auf dem Pless-Horn in B-Dur und weiter-führend auf dem Parforcehorn in ES-Dur beizubringen und mit ihnen zu üben.

Walter, Anna, Paul und Freya trafen sich zwei Mal wöchentlich mit achtzehn Kindern und Jugendlichen zur Probe, die jeweils zwei Stunden dauerte.

Pauls Idee, über die Hornmusik das negative Image von Heimkindern abbauen zu können, diese Idee, von Anna und Freya mit verwirklicht, schien zu greifen: Jäger luden sie ein, die „Schüsseltreiben“ musikalisch zu gestalten. Und als sie Messteile spielen konnten, freuten sich Gottesdienstbesucher über ihre Musik.

Aus einer zunächst amateurhaften Gruppe wurde im Laufe von einigen Jahren ein Orchester, das europaweit gefragt war und mit dieser Horn-Musik viele Zuhörer begeisterte.

„Das Schönste aber war“, lächelte Paul, „dass die jungen Musiker durch eigene Leistungen ihr Selbstwertgefühl stärken konnten!“

Aufgrund von Intrigen und Neid wurde das Kinderheim geschlossen, Anna und Freya verloren sich aus den Augen: Bis zu diesem schicksalhaften Ereignis, das alles ver-änderte…

 

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P.Weidlich